Tonka Maleković 

(T)Räume in Trümmern

Frühling 2023

Einen Monat lang lädt Tonka Maleković regelmäßig in die )PFÖRTNERLOGE( ein, um erlebte Geschichten von Krefelder Bürger*innen zu sammeln. Dabei konzentriert sie sich auf die Nachkriegszeit und auf Erinnerungen der Kinder, die in den Trümmern der Stadt spielten. Aus diesem Material entsteht eine Rauminstallation als „Mahnmal für tote Räume“ sowie eine Performance.

Ausgehend vom Begriff der „Trümmerkinder“ sowie von historischen Aufnahmen von spielenden Kindern in den Ruinen deutscher Städten nach dem Zweiten Weltkrieg sammelt Tonka Maleković in der ersten Phase ihres Projektes Erinnerungen und Geschichten von Krefelder Bürger*innen, die die Nachkriegszeit als Kinder erlebt haben. Sie besucht Seniorenheime und empfängt regelmäßig Interessierte in der )PFÖRTNERLOGE(. Die aufgezeichneten Gespräche fließen in ein Archiv, das von Bild- und Textmaterialien erweitert wird. In den Gesprächen konzentriert sich Maleković auf die Aneignung der Stadt durch die Kinder und das Umfunktionieren einer Ruinenlandschaft als übergroßen Spielplatz.

Das ambivalente Gefühl von Freiheit in einer gefährlichen und unsicheren Umgebung kontrastiert dabei stark mit unserer heutigen Auffassung der Stadt. Als durchregulierter, durchfunktionalisierter und stark überwachter Raum, wo die privaten Interessen von Einigen die Lebens- und Aufenthaltsqualität der Meisten bestimmen, ist die heutige Stadt weniger offen und zugänglich als in der Nachkriegszeit, stellt Maleković fest.

Parallel zu dieser Sammlung erlebter Geschichten geht Maleković durch Krefeld und hält die vielen Orte fotografisch fest, die eine geringe bis nicht vorhandene Aufenthalt- und Ereignisqualität aufweisen. Es sind in der Regel monofunktionale Räume, wie Transit-, Verkehr- oder reine Kommerzräume, deren steriler und regulativer Charakter keine individuelle oder kreative Aneignung ermöglicht. Diese Orte ohne Eigenschaft nennt Maleković „tote Räume“, als negatives Pendant zu den „Todesräumen“ der Nachkriegszeit die, trotz ihrer Gefahr, eine Quelle von Spielen, Erfindungen, Überraschungen und Lerneffekte für Kinder waren.

Auch die Bilder der toten Räume fließen in die Rauminstallation. Der Austausch von Erinnerungen, Assoziationen, Erfahrungen und Beobachtungen hinterfragt die Beziehung zwischen „Todesräumen“ und „toten Räumen“ in den letzten 80 Jahren an denselben geografischen Koordinaten.

Ein weiterer Bestandteil der Arbeit von Tonka Maleković für die )PFÖRTNERLOGE( ist eine öffentliche Performance an verschiedenen Standorten der Stadt. Dort besucht die Künstlerin „tote Räume“ und führt zur Markierung dieser Stellen eine symbolische Handlung durch.

Auszug aus der Begrüßung von Emmanuel Mir

 

„…Es mag als Plattitüde wirken, aber ich möchte es trotzdem betonen: Der Raum strukturiert die Interaktionen, die darin stattfinden; er bestimmt also die Natur der gesellschaftlichen Ordnung. Er bedingt unsere Handlungen und unser Denken, er bedingt unsere Beziehung zum Anderen, er bedingt unser Verständnis des gesellschaftlichen Bunds.  Weil er Zugänglichkeiten verwehrt oder ermöglicht, Begegnungen zulässt oder nicht, Verkehrsflüsse beschleunigt oder verlangsamt, Menschengruppen ausschließt oder einlädt, Pflichten und Verbote erlässt, die körperliche Präsenz glorifiziert oder unterdrückt, bestimmt der Raum unseren Alltag.

 

Daher ist der umgebende Raum, ob städtisch oder ländlich, keine neutrale Bühne, die die menschliche Komödie beherbergt – der Raum ist Mitautor der Erzählungen, die sich dort manifestieren. Im Raum offenbaren sich die Prioritäten und die Werten einer Gemeinschaft; der gestaltete Raum ist ein Spiegelbild der Machtverhältnisse in einer Gesellschaft – aber auch ihres kosmologisch-theologischen Selbstverständnisses und ihrer ökonomischen Ordnung. Ein öffentlicher Raum – nehmen wir z. B. einen Platz – kann als kommerzieller Hotspot, als Ort des Gedenkens und Nachsinnens, als Begegnungsstätte unter freiem Himmel oder als Kreisverkehr gestaltet werden. In einem vorgegebenen Raum kann abgelesen werden, ob eine Kultur dynamisch oder träge ist, autoritär oder liberal geführt wird, auf einem absoluten oder auf einem relativen Erkenntnismodell beruht. Deshalb halte ich Urbanist*innen und Architekt*innen, Verkehrsplaner*innen, Quartiersmanager*innen und Immobilienentwickler*innen für Menschen mit einer enormen politischen Verantwortung, die sie allerdings selten wahrnehmen…“

Zur Künstlerin

Tonka Maleković ist bildende Künstlerin und Raumplanerin. Sie hat an der Akademie der bildenden Künste in Zagreb studiert. Seit 2003 hat sie in zahlreichen Ausstellungen ausgestellt, ein Kunstverein und eine Galerie in Kroatien mitgegründet und Projekte im öffentlichen Raum realisiert. Sie lebt und arbeitet in Köln.

 

Tonka Maleković realisiert orts- und stadtspezifische, partizipative Aktionen, Installationen oder temporäre Interventionen. Sie setzt mit ihren Aktionen gegebene Kontexte neu zusammen, um verborgene Narrative aufzudecken.

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