REICHRICHTER
Loge
Sommer 2024

Kennzeichnend für die Praxis von REICHRICHTER ist die Verbindung von künstlerischer und wissenschaftlicher Methode. Ihre Arbeit ist keine rein theoretische, sondern eine, die sich im Feld vollzieht. REICHRICHTER geht in die Stadt, sucht Gespräche mit Bewohnerinnen, mit Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, mit jenen, die urbanes Leben gestalten. So entsteht eine Art künstlerische Feldforschung, die Elemente der Soziologie, der Psychologie und der Urbanistik aufnimmt, ohne in deren Disziplinen aufzugehen.

Im Sommer 2024 richtet sich REICHRICHTER für mehrere Wochen in der )PFÖRTNERLOGE( ein. Das Duo geht auf tägliche Wanderungen durch den Südteil der Krefelder Innenstadt und sammelt Eindrücke und Erkenntnisse zu diesem spezifischen urbanen Gefüge. Sie führen Gespräche, sammeln Geschichten, hören den Stimmen der Stadt zu. Diese werden dann in einem digitalen Wandregister in der “Loge” gebündelt. Es entsteht die sowohl sachliche als auch subjektive Psychogeographie eines Viertels, das einen „problematischen“ Ruf hat.

Die )PFÖRTNERLOGE( wird zu einem halb offenen Atelier, einem Treffpunkt, an dem die Grenzen zwischen künstlerischem Arbeiten, soziologischem Forschen und alltäglicher Kommunikation verschwammen. Dieses Material wird nicht unmittelbar ausgewertet, sondern in einen Kreislauf des Austauschs gegeben, in dem bereits das Gespräch selbst Wirkung entfaltet. Erst in einem späteren Schritt, mit zeitlichem und räumlichem Abstand, entsteht daraus ein (immaterielles) Werk.

Das Ziel ihrer Praxis ist Erkenntnis – Erkenntnis über die Stadt, über ihre Geschichte und ihre Gegenwart, über die Verflechtungen von Raum, Struktur und Gesellschaft. Reichrichter generiert Wissen, das nicht ausschließlich wissenschaftlich fassbar ist, sondern in sinnlich erfahrbare Formen übersetzt wird. Ihre Arbeit holt Disziplinen wie Archäologie, Soziologie und Urbanistik ins Feld der Kunst, ohne sich ihnen zu unterwerfen.

Am Ende geht es um Positionierung: Wo stehen wir in unserer Stadt, in unserer Gegenwart, in den komplexen Netzen, die uns tragen? REICHRICHTER gibt keine einfachen Antworten. Aber sie schaffen Bilder, Räume und Situationen, die es ermöglichen, Fragen zu stellen – und sich in diesen Fragen als Teil einer urbanen Gemeinschaft neu zu verorten.

Zum Abschluss lädt das Duo zu einem „Table Tea Talk“ ein, um mit Involvierten und Interessierten über das Gefundene, das Projekt und allgemeiner über das Verständnis von zeitgenössischer Kunst zu sprechen.

REICHRICHTER bevorzugt diskursive Formate: Gespräche, Vorträge, Präsentationen, Diskussionen. Doch ebenso wichtig ist der praktische, handwerkliche Aspekt. Ihre Arbeit umfasst das Graben in der Erde ebenso wie den direkten Umgang mit Baumaterialien und städtischen Strukturen. Forschung bedeutet hier immer auch körperliche Erfahrung, Berührung mit Substanzen, Auseinandersetzung mit der physischen Realität der Stadt.

Auszug aus der Einführung von Emmanuel Mir
"... Ein frühes Werk, das sich wie ein Signet über REICHRICHTERs gesamtes Schaffen legen lässt, zeigt in weißer Linie auf schwarzem Grund skizzenhafte Profile von Häusern. Die Zeichnung ist keine klassische Architekturzeichnung, sondern eine schematische Verdichtung: Häuser erscheinen als Umrisse, verbunden durch Linien, die unterirdische Infrastrukturen oder symbolische Fäden andeuten. In dieser Reduktion auf wesentliche Formen liegt das Prinzip der Arbeit von REICHRICHTER. Es geht nicht nur um das einzelne Haus, sondern um seine Eingebundenheit in ein urbanes Gefüge, um die Vernetzungen, die aus Nachbarschaften, Infrastrukturen und Gemeinschaften erwachsen.
REICHRICHTER betrachtet die Stadt gleichzeitig in zwei Dimensionen: im Raum und in der Zeit. Zum einen untersuchen sie, wie Häuser miteinander verbunden sind, welche Netze und Infrastrukturen nötig sind, damit sie funktionieren, Schutz bieten und das Leben ihrer Bewohner tragen. Zum anderen richten sie den Blick auf die historische Entwicklung dieser Strukturen. Aus einzelnen Häusern werden Dörfer, aus Dörfern Städte, schließlich Megalopolen. In dieser doppelten Perspektive – räumlich und zeitlich – entfaltet sich eine Forschung, die weit über Architektur hinausgeht..."

Zu den Künstler*innen
REICHRICHTER, besteht aus einem Mann und einer Frau. Seit seinem/ihrem Debüt im Jahr 2012 führt sie/er eine künstlerische Auseinandersetzung über die Beziehung zwischen Raum, Mensch und technischem Bild und legt dabei besondere Achtung auf das „Wohnen“ als aktive Kraft bei der Gestaltung dieser Beziehung.
REICHRICHTER wurde u.a. mit Projektstipendien der Kunststiftung NRW, der Stiftung Kunstfonds, des Lewis Baltz Research Fund, und dem Preis "beste Arbeit" der Loop'12 Video Art Fair Barcelona ausgezeichnet.
Foto: Andreas Bischof
Erstelle deine eigene Website mit Webador